LM-1945

Werschau

Tagebuch von Anton Klein

 

Freitag, 2. Februar 1945

2. (Februar) Bomben auf Dauborn, zuerst 6 Tote gemeldet, später mehr. Daß wir den Osten verloren haben, ist ein Unglück. Unser Westen ist übervölkert.

 

Mittwoch, 21. Februar 1945

21. (Februar) ... Fast täglich Bomberschwärme (sic). Heute etwa 20 Feldjäger über uns, schossen nach allen Richtungen. In einem Kastanienbaum fanden wir ein 2-cm-Bordgeschoß im Stamm. Ich habe das mächtige Geschoß, das nicht krepiert war, an einer tiefen Stelle im Bach versenkt. Solche Erlebnisse machen einen allmählich nervös.

 

Donnerstag, 22. Februar 1945

22. (Februar) Obwohl die Halunken stundenlang über uns waren, traf uns nichts.

 

Samstag, 10. März 1945

10. (März ) Heute morgen um 8 sammelte sich Unheil über unseren Köpfen. Bald ging ein Krach über uns hin, daß ich glaubte, ein Flugzeug sei mit Bomben abgestürzt. Dann hörte ich E. rufen, da war ich beruhigt, denn die Kinder lebten noch. E. sagte: Alles kaputt. Als ich halb betäubt runterkam, sah ich die Haustür von vielen Geschossen durchlöchert, im Wohnzimmer eine große Verwüstung. Zahllose Geschosse schwerster Art waren durch Wänd (sic) u. Fenster in Boden und Möbel eingeschlagen. Es sah aus, wie wenn mit dem Abbruch begonnen worden wäre. Sehr schlimm war es auch oben im Schlafzimmer. Käte war mit den Kindern rechtzeitig in den Keller, so waren sie gerettet.

 

Dienstag, 13. März 1945

13. (März) In Dauborn Panzersperren gebaut. Beständig Flieger über uns.

 

Dienstag, 20. März 1945

20. (März) Die Hölle los, In N-Brechen u. O-Brechen die Bahnhöfe angegriffen, viele Tote.

 

Palmsonntag, 25. März 1945

25. (März) Schöner Tag. Bald nach 7 kamen die Bomberschwärme.

 

Montag, 26. März 1945

26. (März) Es heißt, der Feind sei schon in Dausenau. Gegen 13 Uhr: Nachricht der Feind sei in Altendiez. Um 17 Uhr kommt Franz Ricker von Limburg: die Panzerspitzen d. Feindes vor Limburg. Alle Brücken bei Limb. sind gesprengt. Die Autobahnbrücke, eine Weltsehenswürdigkeit, die uralte Brücke in der Stadt, die Eisenbahnbrücke bei Staffel- von den Höllengeistern gesprengt.


Dienstag, 27. März 1945

27. (März) Heute nacht marschierten zahlreiche Trupps Soldaten den Oberbrechener Weg hinaus. In Limburg soll es Straßenkämpfe geben. Die eingedrungenen Amerikaner wurden wieder rausgeworfen. Wir wissen nicht, wie die Lage ist, keine Zeitung, kein Radio, kein Licht u. Wasser. Heute morgen ruhig, in der Nacht Sprengungen u. Artillerie. Der Nauheimer Volkssturm kam von Brechen zurück, das eingeschlossen sei. Niemand wagt sich mehr auf die Straße, die Leute wohnen und kochen in Kellern. Um 14 Uhr wird Werschau von Bordkanonen beschossen, ein Teil d. Dorfes in Rauch, die Glocke läutet. Ich habe oben ein weißes Tuch herausgehängt. Die Schießerei hört auf, über die Autobahn rollen Panzer auf Panzer in Richtung Frankfurt. Bald schießt nun die Waffen-SS, weil wir weiß geflaggt haben. Wenn wir die weiße Flagge einziehen schießen die Panzer. Amerikanischer Befehlshaber sagt, daß alles bereit sei, das Dorf zu vernichten. Das Dorf hat keinen Schutz, da der Volkssturm abgerückt und der Bürgermeister Göbel schwer krank ist. Da sonst niemand da war, bin ich in einer Schießpause den Oberbrecherweg hinauf Lotts Lisbet, die hinter mir herkam, war schneller und vor mir oben. Der Befehlshaber, der deutsch sprach, wollte wissen, wer die Soldaten / seien, von denen sie beschossen würden. Wir wußten es nicht. Die SS haben nach mir geschossen, als ich mit der weißen Fahne den Weg hinaufging. Da befürchtet werden mußte, daß die SS aus ihrem Hinterhalt in der Nacht weiterschießen würde, mußte mit der Beschießung d. Dorfes während der Nacht gerechnet werden. Alle, außer mir, schliefen im Keller, - aber es war ruhig, nur um 4 (Uhr) läutete es und es mußte gelöscht werden.


Mittwoch, 28. März 1945

28. (März) Bei schönem Wetter kamen gegen Mittag viele Panzer u. andere Wagen den Nauheimer Weg herunter, fuhren wieder zurück, nachdem sie Häuser nach deutschen Soldaten durchsucht hatten.

 

Gründonnerstag, 29. März 1945

29. (März) Unzählige Fahrzeuge fahren hin und her. Die Kinder bekamen Schokolade, was den Druck auf die Gemüter etwas milderte. Weiter kein Strom, keine Zeitung.

 

Karfreitag, 30. März 1945

30. (März) Die Bedrückung hat nachgelassen, da wir keine Bomben mehr zu fürchten haben. Der wahnsinnige Weltverbesserer hat uns ins Elend geführt. Wir können unsere ganze Hoffnung nur auf den klugen wirtschaftlichen Sinn d. Amerikaner bauen. Und zu Gott beten, daß er sein deutsches Volk nicht verlasse. Von abends 6 bis morgens 7 dürfen wir nicht auf die Straße, Fotoapparate müssen abgeliefert werden.

 

Ostersonntag, 1. April 1945

1. April = Ostern. Der Osterhas hat nun doch noch Eier gebracht, aber nur in 2 Farben. Die Franzosen konnten endlich hier in die Kirche gehen, sie kamen in Uniform.

 

Samstag, 6. April 1945

6. (April) Das Haus ist voll Mäuse: gestern 2 und heute 7 gefangen.

 

Sonntag, 7. April 1945

7. (April) 8 Polen überfielen die Mühle Schmidt in Ld.hausen (= Lindenholzhausen), warfen Handgranaten, Frauen und Kinder flohen, den Müller hängten sie auf. Ein Eisenbahner rief die Amerikaner in Limburg. Sofort kam eine Streife, der Befehlshaber ließ die 8 Polen erschießen. In Kirberg haben Polen ein Geschäftslager erbrochen. Auf Befehl d. Amerikaner müssen alle Sachen zurückgebracht werden, sonst würden bei den Polen Hausdurchsuchungen durchgeführt.

 

Dienstag, 16. April 1945

16. (April) Heute um 8 kamen Licht und Wasser wieder, auch Radio, - nur die Zeitung fehlt.

 

Sonntag, 28. April 1945

28. (April) Bürgermeister Ricker (Franz) im Dienst. Heute haben wir Registerkarten bekommen.

 

Quelle:
Kreisheimatstelle des Landkreises Limburg-Weilburg (Hg.)
"Eigentlich ist kaum Zeit zum Schreiben ..", Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen von Zeitzeugen an das Kriegsende 1945 im Landkreis Limburg-Weilburg, Limburg 2005