LM-1945

Laubuseschbach

Erinnerungen von Hermann Becker 

 

Dienstag, 20. März 1945

Als noch 15-jähriger musste ich damals an einer Volkssturmausbildung vom 12. bis 17. März in Weilburg teilnehmen. Am 20. März, meinem 16. Geburtstag, mussten wir 16- und 15-jährigen zur Musterung in Wetzlar erscheinen und wurden als kriegstauglich gemustert. Nur das schnelle Vorrücken der Amerikaner hat unsere Einberufung zum Kriegsdienst verhindert.

 

Montag, 26. März 1945

Am Abend des 26. März fuhren die ersten Lastkraftwagen mit deutschen Soldaten auf ihrem Rückzug nach Osten durch Laubuseschbach. Kolonnen mit Kriegsgefangenen waren schon einige Tage vorher zu Fuß zurückgeführt worden. Ein ca. 30 Mann starker Zug Russen kam auch am 26. März hier an und wurde in der Turnhalle untergebracht.

 

Dienstag, 27. März 1945

Der nächste Tag, ein Dienstag, begann mit strahlendem Sonnenschein. Um sieben Uhr rückte eine bespannte (deutsche) Infantrieeinheit - von Niederbrechen kommend - in Laubuseschbach ein. Die Soldaten, die sich hauptsächlich nachts zurückzogen und tagsüber rasteten, suchten für sich und ihre Pferde Quartiere um auszuruhen. Um neun Uhr kreiste ein amerikanisches Flugzeug über dem Dorf und setzte zum Sturzflug an. Schüsse aus Maschinengewehren und Bordkanonen versetzten die ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken. Zur gleichen Zeit war von Wolfenhausen her ebenfalls Maschinengewehrfeuer zu vernehmen. Ich befand mich zu dieser Zeit in der Langgasse und verkroch mich unter der Milchrampe gegenüber vom Sattler Jung. Außer ein paar Hühnern war weit und breit auf den Straßen niemand zu sehen. Was war geschehen?
Zwei Lastkraftwagen der seit September 1944 in Laubuseschbach stationierten Luftnachrichtenkompanie waren zurückgekommen, um noch hier lagernde Materialien zu holen. Diese waren das Ziel der amerikanischen Flieger. Ein Fahrzeug wurde im "Eisensteinweg " (In der Au) getroffen und blieb beschädigt stehen. Der zweite Lastwagen hatte auch ein paar Einschüsse, blieb aber fahrbereit. Die Schießerei auf der Heideneiche kam von amerikanischen Panzern, die von Aumenau kommend die deutschen Rückzugstruppen überraschten und ihnen den Weg abschnitten. Panik brach aus, die deutschen Soldaten warfen alle Ausrüstungsgegenstände weg und suchten im nahen Wald Deckung. Die amerikanischen Panzer fuhren dann in Richtung Wolfenhausen, wo am Ortseingang ein deutscher Soldat verwundet wurde und trotz ärztlicher Hilfe verstarb.
In Laubuseschbach schreckten die Soldaten, die sich zur Ruhe gelegt hatten, auf und warteten auf ihre Gefangennahme. Niemand dachte noch an Widerstand. Doch die Amerikaner kamen nicht, und so zogen die Deutschen gegen Mittag aus Laubuseschbach ab. Selbst die Wachleute der russischen Gefangenen verschwanden und ließen diese hier zurück. Der damalige Bürgermeister ließ für die Russen Brot backen und versorgte sie mit Kartoffeln und Obst. So blieb das Dorf vor Übergriffen der Russen verschont. Der Rest des Tages verlief völlig ruhig.
Abends gegen 19 Uhr schreckte der Abschuß eines Artelleriegeschosses, das Heulen einer Granate und die anschließende Detonation das ganze Dorf auf. Das elektrische Licht flackerte und setzte einige Sekunden aus. Dann war wieder Totenstille! Der größte Teil der Ortsbewohner suchte schleunigst die nahen Luftschutzstollen auf.
Amerikanische Panzer, die das Vorhandensein von deutschen Truppen erkunden wollten, hatten Richtung Laubuseschbach geschossen. Eine Granate war vor dem " Wingert" auf der Schieferhalde eingeschlagen. Splitter drangen durch die Bretterwände eines am "Wingert" stehenden Behelfsheimes, und die Bewohnerin Erika Schmidt (später Teichmann) wurde durch einen Splitter im Lungenbereich verwundet.

 

Mittwoch, 28. März 1945

Den nächsten Tag, Mittwoch, 28. März 1945, verlebte Laubuseschbach wie im Frieden, keine Soldaten waren zu sehen, keine Belästigungen durch Tiefflieger so nahe an der Frontlinie.

 

Donnerstag, 29. März 1945

Am Donnerstag wurden wir um 6.00 Uhr von unablässigem Motorengeräusch geweckt. Dann, fast eine halbe Stunde später, sah man die graue Fahrzeugkolonne der Amerikaner über die "Wasserkaut" Richtung Blessenbach fahren. Wieder 15 Minuten später kamen die ersten Panzer die Blessenbacher Chaussee herunter, durch die Rendsgass (heute Eschbacher Weg), die Langgasse hinunter nach Weilmünster. Gegen 8.30 Uhr kam ein mit zwei Mann besetzter Jeep aus Richtung Wolfenhausen, hielt " auf der Flut" an, und der Beifahrer betätigte das Funkgerät. Nicht lange danach fuhren die Fahrzeuge dann von Aumenau über die Heideneiche nach Laubuseschbach und rollten ohne Unterbrechung zwei Tage lang in Richtung Osten.


Karfreitag, 30.03.1945

Am 30. März (Karfreitag) besetzten die ersten Amerikaner den Ort und ließen sich in den Häusern Pfannen voller Spiegeleier backen. Nachmittags haben sich einige allerdings sehr unmilitärisch benommen. Auf der Neideck und im Emmershäuser Weg fingen sie Hühner ein, faßten dieselben am Kopf und schleuderten sie so lange in der Luft, bis der Kopf vom Hals getrennt war. Das geschah nicht aus Proviantmangel, sondern aus reinem Sadismus. Die gekochten Hühner lagen am nächsten Tag bei einem Landwirt auf dem Mist.
Die Amerikaner beschlagnahmten einige Häuser für die Vorgesetzten, und für die Mannschaften wurden Zelte in den Wiesen auf der Eschbach aufgestellt. Zu Übergriffen seitens der Besatzer kam es nicht mehr.

 

Quelle:
Kreisheimatstelle des Landkreises Limburg-Weilburg (Hg.)
"Eigentlich ist kaum Zeit zum Schreiben ..", Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen von Zeitzeugen an das Kriegsende 1945 im Landkreis Limburg-Weilburg, Limburg 2005